Die Kunst des Stolperns
- Ferdinando De Maria
- 20. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Sept.
Weshalb Fehler und Krisen in Organisationen nicht Schwäche sind,
sondern wichtige Entwicklungssignale.

Einleitung
Stolpern ist menschlich. Jeder kennt das Gefühl: ein falscher Schritt, ein Moment der Unsicherheit, eine Entscheidung, die nicht so aufgeht, wie wir dachten. Im Alltag, in Beziehungen, in Organisationen. Doch während wir in der Schule lernen, fehlerfrei zu schreiben und im Beruf perfekte Ergebnisse abzuliefern, bringt uns niemand bei, wie man gut stolpert. Dabei liegt genau darin eine Schlüsselkompetenz für unser Leben und Arbeiten im Wandel: die Fähigkeit, Fehler nicht als Scheitern, sondern als Quelle von Erkenntnis und Entwicklung zu sehen.
1. Stolpern als Ausdruck von Bewegung
Nur wer sich bewegt, kann stolpern. Stillstand mag Sicherheit suggerieren, ist aber oft nur eine Vermeidung von Risiko – und damit auch von Wachstum. Stolpern zeigt, dass wir uns auf unbekanntes Terrain wagen, dass wir etwas ausprobieren, dass wir Grenzen ausloten.
In diesem Sinne ist Stolpern ein Beweis für Lebendigkeit.
2. Vom Fehltritt zur Kunstform
Die Kunst des Stolperns besteht darin, aus dem scheinbaren Missgeschick eine Ressource zu machen:
- Selbstbeobachtung: Erkennen, was zum Stolpern geführt hat. 
- Akzeptanz: Nicht in Scham oder Selbstkritik stecken bleiben. 
- Transformation: Den Fehltritt nutzen, um neue Wege zu entdecken. 
Ein gutes Bild dafür ist die Kampfkunst Aikido: Man lernt, nicht gegen den Impuls zu kämpfen, sondern die Energie des Stolperns aufzunehmen und weiterzuleiten.
3. Stolpern in Organisationen
Organisationen, die Disruption erleben, stolpern ständig: ein Projekt scheitert, eine neue Technologie bringt mehr Chaos als Fortschritt, ein Markt verändert sich schneller als erwartet.
- Ungesunde Reaktion: Schuldzuweisungen, Vertuschen, Angst. 
- Gesunde Reaktion: Lernmomente sichtbar machen, Muster verstehen, gemeinsam nachjustieren. 
Die Kultur entscheidet: Sehen wir Stolpern als Versagen – oder als Trainingsfeld für Resilienz?
Fünf Impulse für die Praxis
- Fehler entdramatisieren- Nutze Sprache bewusst: Ein „Fehlversuch“ klingt konstruktiver als „Scheitern“. So entsteht Mut zum Ausprobieren. 
- Reflexionsräume schaffen- Nach Projekten oder Entscheidungen regelmäßig nachfragen: Was lief gut? Wo sind wir gestolpert? Was lernen wir daraus? 
- Mut belohnen, nicht Perfektion- Würdige Menschen, die Neues wagen – auch wenn sie stolpern. Das signalisiert: Experimentieren ist erwünscht. 
- Eigenes Stolpern teilen- Führungskräfte, die von ihren eigenen Fehlern erzählen, schaffen Vertrauen und senken die Angst im Team. 
- Humor kultivieren- Wer über sein Stolpern lachen kann, entzieht dem Moment die Schwere. Humor öffnet Räume für Leichtigkeit und neue Energie. 
Die persönliche Dimension
Auch im Privaten ist Stolpern ein Spiegel. Oft stolpern wir, wenn Herz und Kopf nicht im Einklang sind, wenn wir alte Muster wiederholen oder zu schnell vorwärtsstürmen. Statt uns dafür zu verurteilen, können wir solche Momente nutzen, um innezuhalten: Was wollte mir dieses Stolpern zeigen? Wo brauche ich mehr Aufmerksamkeit, mehr Achtsamkeit, mehr Balance?
Schlussgedanke
Die Kunst des Stolperns liegt nicht darin, Fehler zu vermeiden. Sie liegt darin, aus jedem Stolpern etwas mitzunehmen – Klarheit, Mut, vielleicht sogar ein Schmunzeln. So wird jeder Fehltritt zu einem Teil des Weges, der uns stärker, weicher und menschlicher macht.
Stolpern heisst nicht scheitern. Stolpern heisst: Du bist unterwegs.
Organisationen sind lebendige Organismen.
Meine Arbeit besteht darin, ihnen Räume zu geben, in denen sie wachsen, reifen und Zukunft gestalten können - organisch, achtsam, menschlich.




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