Über Handlung und Empfehlung?
- Ferdinando De Maria
- 16. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Okt.
Handlungsempfehlungen verstehen:
Was sie für deine Organisation wirklich bedeuten

Einleitung
Handlungsempfehlungen sind in Organisationen allgegenwärtig. Kaum ein Projekt, kaum eine Studie, die nicht mit einer Liste von Empfehlungen abschliesst. Doch oft bleiben diese Empfehlungen abstrakt - sie klingen vernünftig, werden wohlwollend abgenickt und verschwinden dann in Schubladen oder auf Folien.
Warum? Weil viele Empfehlungen wie Rezepte behandelt werden: „Man nimmt Punkt 1 bis 5, arbeitet sie ab – und schon ist der Wandel geschafft.“ Doch Organisationen sind keine Maschinen. Sie sind lebendige Systeme, die auf ihre Umwelt reagieren. Und deshalb greifen Handlungsempfehlungen nur dann, wenn sie wirklich verstanden, in den Kontext übersetzt und gelebt werden.
1. Diagnose vor Empfehlung
Eine Empfehlung, die nicht auf einer Diagnose basiert, ist wie ein Medikament ohne Untersuchung.
Es reicht nicht, Best Practices von aussen zu übernehmen. Entscheidend ist, zunächst zu klären:
Welches Denken prägt die Organisation?
Welche Muster, Rituale oder Routinen wirken im Hintergrund?
Welche unausgesprochenen Annahmen über Menschen und Arbeit sind wirksam?
Erst wenn diese Grundlage sichtbar ist, lassen sich Empfehlungen formulieren, die mehr sind als Allgemeinplätze.
2. Spannungen sichtbar machen
Organisationen entwickeln sich in Spannungsfeldern:
zwischen Effizienz und Innovation,
zwischen Stabilität und Agilität,
zwischen Kontrolle und Vertrauen.
Handlungsempfehlungen entfalten ihre Kraft genau dort, wo sie diese Spannungen benennen und den Mut fördern, sie auszuhalten. Eine Organisation, die Spannungen verdrängt, lebt mit verdeckten Konflikten. Eine Organisation, die Spannungen bewusst gestaltet, nutzt sie als Motor für Entwicklung.
3. Kontext beachten
Viele Empfehlungen scheitern, weil sie „one size fits all“ formuliert sind.
In meiner Erfahrung gilt: Der Kontext entscheidet.
In Industrieunternehmen geht es oft darum, Sicherheit und Effizienz mit Innovationsdruck zu verbinden.
In Konzernen und Grossverdiener-Umfeldern ringen Führungskräfte mit der Balance zwischen Kontrolle, Kosten und Sinn.
In IT-Organisationen steht Geschwindigkeit im Vordergrund - die Gefahr: Menschlichkeit bleibt auf der Strecke.
In kleineren Betrieben sind Nähe und Pragmatismus Stärken - gleichzeitig fehlt manchmal der Blick aufs grosse Ganze.
In Start-ups herrscht kreative Energie - aber auch die Gefahr von Überlastung und fehlender Struktur. Hinzu kommt ein entscheidender Faktor: finanzielle Ressourcen. Kapitalbeschaffung ist oft der eigentliche Startknopf - oder der Countdown, wenn die Mittel knapp werden. Handlungsempfehlungen müssen hier nicht nur kulturelle und organisatorische Aspekte berücksichtigen, sondern auch die Realität von Finanzierungszyklen, Investoren-Logik und Cashflow-Druck.
Handlungsempfehlungen wirken erst, wenn sie diese Unterschiede aufnehmen und ernst nehmen.
4. Handlungsfelder statt Worthülsen
Oft ist von Handlungsfeldern oder Handlungsgefässen die Rede. Viele nicken diese Begriffe ab, ohne wirklich zu verstehen, was damit gemeint ist – oder was es für die eigene Organisation bedeutet.
Ein Handlungsfeld ist kein abstraktes Etikett, sondern ein konkreter Bereich, in dem Veränderung ausprobiert und gestaltet werden kann. Beispiele:
Führung: Wie kann Führung Vertrauen stärken, statt nur Kontrolle ausüben?
Kultur: Wie gehen wir mit Fehlern um – als Bedrohung oder als Lernmoment?
Wie können wir Umgebungen gestalten, in denen Menschen Resonanz spüren, anstatt nur Aufgaben zu erledigen?
Anreizsysteme: Wie belohnen wir Mut und Entwicklung - nicht nur Effizienz?
Ein Handlungsgefäss wiederum ist der Rahmen, in dem diese Themen lebendig werden: ein Projekt, ein Experimentierraum, ein Lernformat oder ein Dialogkreis. Gefässe geben Halt – aber sie lassen auch Offenheit zu.
Handlungsempfehlungen helfen dann, wenn sie nicht abstrakt bleiben, sondern in solche Gefässe übersetzt werden, die in der Organisation spürbar sind.
5. Iterativ statt final
Organisationen sind lebendig – und das bedeutet: Handlungsempfehlungen dürfen nie statisch sein. Sie brauchen Iteration:
Testen: Erste Schritte wagen, auch wenn sie unvollkommen sind.
Lernen: Rückmeldungen ernst nehmen, Muster erkennen.
Anpassen: Empfehlungen weiterentwickeln, statt sie als abgeschlossen zu betrachten.
Ein Beispiel: Eine Empfehlung, „Feedbackkultur zu stärken“, bleibt hohl, wenn sie nur als Schlagwort existiert. Konkret wird sie erst, wenn die Organisation Gefässe schafft - etwa monatliche Lernrunden, Feedback-Trainings oder Räume für ehrliche Gespräche.
Handlungsempfehlungen sind keine Endpunkte, sondern Startpunkte.
6. Meine Erfahrung als Begleiter
In meiner Arbeit habe ich Handlungsempfehlungen in ganz unterschiedlichen Kontexten erlebt:
Industrie, wo Sicherheit und Prozesse über allem stehen.
Konzerne, wo politische Dynamiken Empfehlungen oft blockieren oder verzerren.
IT, wo Handlungsempfehlungen schnell in agile Methoden übersetzt werden - manchmal zu schnell.
Kleinere Betriebe, wo Empfehlungen oft direkt ausprobiert werden - pragmatisch, aber manchmal ohne Struktur.
Start-ups, wo Handlungsempfehlungen oft eher Landkarten sind als Pläne - Orientierung für ein Terrain, das sich permanent verändert. Doch ohne Kapital und Ressourcen bleibt jede Empfehlung Theorie.
Überall gilt: Empfehlungen wirken dann, wenn sie verstanden, ausprobiert und angepasst werden.
Schlussgedanke
Handlungsempfehlungen sind keine fertigen Antworten. Sie sind Einladungen, gemeinsam neue Wege zu erkunden. Sie entfalten ihre Kraft, wenn sie Spannungen sichtbar machen, im Kontext verankert sind und konkrete Handlungsfelder eröffnen.
Und sie bleiben lebendig, wenn wir sie nicht als Worthülsen abnicken, sondern als Handlungsgefässe begreifen, Räume, in denen wir wirklich ins Tun kommen.
So werden Empfehlungen nicht zu Checklisten, sondern zu Impulsen für Resonanz, Lernen und Entwicklung.
Organisationen sind lebendige Organismen.
Meine Arbeit besteht darin, ihnen Räume zu geben, in denen sie wachsen, reifen und Zukunft gestalten können - organisch, achtsam, menschlich.




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