Zen und Organisation
- Ferdinando De Maria
- 20. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Sept.
Welche Parallelen es zwischen Zen-Praxis und Organisationsentwicklung gibt -
von Leere, Nicht-Wissen und Präsenz.
Seit vielen Jahren begleitet mich die Zen-Praxis. Sie ist für mich kein Rückzugsort, sondern eine Haltung, die direkt ins Leben greift. Und immer wieder staune ich, wie sehr das, was ich auf dem Kissen erfahre, meine Arbeit mit Organisationen prägt.

1. Leere - der Raum für Neues
Im Zen bedeutet Leere nicht „Nichts“, sondern „Freiheit von Vorannahmen“. Im Sitzen entsteht ein Raum, in dem alles möglich wird, weil nichts festgelegt ist.
In Organisationen ist es ähnlich: Wirklicher Wandel beginnt dort, wo wir innehalten und bereit sind, Altbekanntes loszulassen. Ich habe erlebt, wie Teams in Workshops zunächst irritiert waren, wenn wir bewusst einen Moment der Stille eingebaut haben und wie danach plötzlich ganz andere Ideen entstanden, weil die gewohnten Denkmuster unterbrochen wurden.
2. Nicht-Wissen - die Haltung der Offenheit
Ein Zen-Meister sagte einmal: „Wenn du wissen willst, was Zen ist, musst du die Flüssigkeit in der Teetasse kosten.“ Worte allein genügen nicht - man muss es wagen, selbst zu probieren.
In Organisationen ist das ähnlich: Man kann über Resilienz, Agilität oder Transformation endlos diskutieren. Entscheidend wird es erst, wenn Menschen den Versuch wagen und eigene Erfahrungen machen.
Ich denke an eine Führungskraft, die sich zum ersten Mal in einem Meeting bewusst zurücknahm und nur zuhörte, statt sofort Lösungen vorzugeben. Das Ergebnis? Zunächst Schweigen. Dann vorsichtige Stimmen. Und schließlich ein völlig neuer Lösungsansatz aus dem Team selbst. Dieser kleine Schritt war wie das Kosten der Teetasse: nicht Theorie, sondern gelebte Erfahrung.
3. Präsenz - die Kraft des Augenblicks
Zen ist Übung in Präsenz. Nicht „gestern“ und nicht „morgen“, sondern genau jetzt.
Auch in Organisationen macht Präsenz den Unterschied. Ich erinnere mich an einen Moment in einem Veränderungsprozess: Die Stimmung war angespannt, niemand traute sich, die wahren Bedenken zu äussern. Statt einzugreifen, habe ich die Stille ausgehalten. Nach einer Weile sprach jemand aus, was alle dachten – und plötzlich entspannte sich der ganze Raum. Präsenz war hier nicht Passivität, sondern eine aktive Form des Haltens.
Kritische Stimmen - und meine Erfahrung
Oft höre ich: „Zen ist doch zu weich für die Realität der Wirtschaft.“ Oder: „Das klingt schön, aber am Ende zählen Ergebnisse.“
Meine Erfahrung ist: Ja, Ergebnisse zählen. Aber genau deshalb ist Haltung entscheidend. Zen macht uns nicht weich, sondern klar. Es lädt uns ein, die Realität so zu sehen, wie sie ist - auch wenn das unbequem ist. Und genau darin liegt die Kraft für Wandel: nicht in Kontrolle, sondern in Klarheit, Offenheit und Mut.
Fazit - Zen als gelebte Organisationspraxis
Für mich sind die Parallelen eindeutig:
Leere eröffnet Raum für Neues.
Nicht-Wissen schafft Offenheit für Erkenntnis.
Präsenz verbindet Menschen im Augenblick.
Und vor allem: Man kann darüber lesen und reden - doch wie beim Tee gilt auch hier: Wer wissen will, was es wirklich bedeutet, muss es selbst kosten.
Zen ist nicht Theorie, sondern Erfahrung. Und Organisationen, die den Mut haben, diese Erfahrung zu wagen, öffnen Räume, in denen sie lebendig, resilient und zukunftsfähig werden.
Organisationen sind lebendige Organismen.
Meine Arbeit besteht darin, ihnen Räume zu geben, in denen sie wachsen, reifen und Zukunft gestalten können - organisch, achtsam, menschlich.




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